Torquato Tasso 2 стр.

Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden,

Er ändert stets, ruckt langsam weiter vor,

Steht wieder still, er hintergeht die Hoffnung;

Unwillig sieht man den Genuß entfernt

In späte Zeit, den man so nah' geglaubt.

Prinzessinn .

Ich lobe die Bescheidenheit, die Sorge,

Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht.

Nur durch die Gunst der Musen schließen sich

So viele Reime fest in eins zusammen;

Und seine Seele hegt nur diesen Trieb

Es soll sich sein Gedicht zum Ganzen ründen.

Er will nicht Mährchen über Mährchen häufen,

Die reitzend unterhalten und zuletzt

Wie lose Worte nur verklingend täuschen.

Laß ihn, mein Bruder! denn es ist die Zeit

Von einem guten Werke nicht das Maß;

Und wenn die Nachwelt mit genießen soll,

So muß des Künstlers Mitwelt sich vergessen.

Alphons .

Laß uns zusammen, liebe Schwester, wirken,

Wie wir zu beyder Vortheil oft gethan!

Wenn ich zu eifrig bin, so lindre du:

Und bist du zu gelind, so will ich treiben.

Wir sehen dann auf einmal ihn vielleicht

Am Ziel, wo wir ihn lang' gewünscht zu sehn.

Dann soll das Vaterland, es soll die Welt

Erstaunen, welch ein Werk vollendet worden.

Ich nehme meinen Theil des Ruhms davon,

Und er wird in das Leben eingeführt.

Ein edler Mensch kann einem engen Kreise

Nicht seine Bildung danken. Vaterland

Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel

Muß er ertragen lernen. Sich und andre

Wird er gezwungen recht zu kennen. Ihn

Wiegt nicht die Einsamkeit mehr schmeichelnd ein.

Eswillder Feind — esdarfder Freund nicht schonen:

Dann übt der Jüngling streitend seine Kräfte,

Fühlt was er ist und fühlt sich bald ein Mann.

Leonore .

So wirst du, Herr, für ihn noch alles thun,

Wie du bisher für ihn schon viel gethan.

Es bildet ein Talent sich in der Stille,

Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.

O daß er sein Gemüth wie seine Kunst

An deinen Lehren bilde! Daß er nicht

Die Menschen länger meide, daß sein Argwohn

Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß verwandle!

Alphons .

Die Menschen fürchtet nur wer sie nicht kennt,

Und wer sie meidet wird sie bald verkennen.

Das ist sein Fall, und so wird nach und nach

Ein frey Gemüth verworren und gefesselt.

So ist er oft um meine Gunst besorgt

Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele

Hegt er ein Mißtraun, die, ich weiß es sicher,

Nicht seine Feinde sind. Begegnet ja

Daß sich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter

Aus seinem Dienst in einen andern geht,

Daß ein Papier aus seinen Händen kommt,

Gleich sieht er Absicht, sieht Verrätherey

Und Tücke die sein Schicksal untergräbt.

Prinzessinn .

Laß uns, geliebter Bruder, nicht vergessen

Daß von sich selbst der Mensch nicht scheiden kann.

Und wenn ein Freund, der mit uns wandeln sollte,

Sich einen Fuß beschädigte, wir würden

Doch lieber langsam gehn und unsre Hand

Ihm gern und willig leihen?

Alphons . Besser wär's,

Wenn wir ihn heilen könnten, lieber gleich

Auf treuen Rath des Arztes eine Cur

Versuchten, dann mit dem Geheilten froh

Den neuen Weg des frischen Lebens gingen.

Doch hoff' ich, meine Lieben, daß ich nie

Die Schuld des rauhen Arztes auf mich lade.

Ich thue was ich kann um Sicherheit

Und Zutraun seinem Busen einzuprägen.

Ich geb' ihm oft in Gegenwart von Vielen

Entschiedne Zeichen meiner Gunst. Beklagt

Er sich bey mir, so laß ich's untersuchen;

Wie ich es that, als er sein Zimmer neulich

Erbrochen glaubte. Läßt sich nichts entdecken,

So zeig' ich ihm gelassen, wie ich's sehe;

Und da man alles üben muß, so üb' ich,

Weil er's verdient, an Tasso die Geduld:

Und ihr, ich weiß es, steht mir willig bey.

Ich hab' euch nun auf's Land gebracht und gehe

Heut' Abend nach der Stadt zurück. Ihr werdet

Auf einen Augenblick Antonio sehen,

Er kommt von Rom und hohlt mich ab. Wir haben

Viel auszureden, abzuthun. Entschlüsse

Sind nun zu fassen, Briefe viel zu schreiben,

Das alles nöthigt mich zur Stadt zurück.

Prinzessinn .

Erlaubst du uns daß wir dich hinbegleiten?

Alphons .

Bleibt nur in Belriguardo, geht zusammen

Hinüber nach Consandoli! Genießt

Der schönen Tage ganz nach freyer Lust.

Prinzessinn .

Du kannst nicht bey uns bleiben? die Geschäfte

Nicht hier so gut als in der Stadt verrichten?

Leonore .

Du führst uns gleich Antonio hinweg,

Der uns von Rom so viel erzählen sollte?

Alphons .

Es geht nicht an, ihr Kinder; doch ich komme

Mit ihm so bald als möglich ist, zurück:

Dann soll er euch erzählen und ihr sollt

Mir ihn belohnen helfen, der so viel

In meinem Dienst aufs neue sich bemüht.

Und haben wir uns wieder ausgesprochen,

So mag der Schwarm dann kommen, daß es lustig

In unsern Gärten werde, daß auch mir,

Wie billig, eine Schönheit in dem Kühlen

Wenn ich sie suche gern begegnen mag.

Leonore .

Wir wollen freundlich durch die Finger sehen.

Alphons .

Dagegen wißt ihr daß ich schonen kann.

Prinzessinnnach der Scene gekehrt .

Schon lange seh' ich Tasso kommen. Langsam

Bewegt er seine Schritte, steht bisweilen

Auf einmal still, wie unentschlossen, geht

Dann wieder schneller auf uns los, und weilt

Schon wieder.

Alphons . Stört ihn, wenn er denkt und dichtet,

In seinen Träumen nicht, und laßt ihn wandeln.

Leonore .

Nein, er hat uns gesehn, er kommt hierher.

Dritter Auftritt

Die Vorigen .Tasso .

Tassomit einem Buche in Pergament geheftet.

Ich komme langsam dir ein Werk zu bringen,

Und zaudre noch es dir zu überreichen.

Ich weiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet,

Wenn es auch gleich geendigt scheinen möchte.

Allein, war ich besorgt es unvollkommen

Dir hinzugeben, so bezwingt mich nun

Die neue Sorge: Mocht' ich doch nicht gern

Zu ängstlich, möcht' ich nicht undankbar scheinen.

Und wie der Mensch nur sagen kann: Hier bin ich!

Daß Freunde seiner schonend sich erfreuen:

So kann ich auch nur sagen: Nimm es hin!

Er übergibt den Band.

Alphons .

Du überraschest mich mit deiner Gabe

Und machst mir diesen schönen Tag zum Fest.

So halt' ich's endlich denn in meinen Händen,

Und nenn' es in gewissem Sinne mein!

Lang' wünscht' ich schon, du möchtest dich entschließen

Und endlich sagen: Hier! es ist genug.

Tasso .

Wenn Ihr zufrieden seyd, so ist's vollkommen;

Denn euch gehört es zu in jedem Sinn.

Betrachtet' ich den Fleiß den ich verwendet,

Sah' ich die Züge meiner Feder an;

So konnt' ich sagen: dieses Werk ist mein.

Doch seh' ich näher an, was dieser Dichtung

Den innren Werth und ihre Würde gibt,

Erkenn' ich wohl, ich hab' es nur von euch.

Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe

Aus reicher Willkür freundlich mir geschenkt,

So hatte mich das eigensinn'ge Glück

Mit grimmiger Gewalt von sich gestoßen:

Und zog die schöne Welt den Blick des Knaben

Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an,

So trübte bald den jugendlichen Sinn

Der theuren Eltern unverdiente Noth.

Eröffnete die Lippe sich zu singen,

So floß ein traurig Lied von ihr herab,

Und ich begleitete mit leisen Tönen

Des Vaters Schmerzen und der Mutter Qual.

Du warst allein der aus dem engen Leben

Zu einer schönen Freyheit mich erhob;

Der jede Sorge mir vom Haupte nahm,

Mir Freyheit gab, daß meine Seele sich

Zu muthigem Gesang entfalten konnte;

Und welchen Preis nun auch mein Werk erhält,

Euch dank' ich ihn, denn Euch gehört es zu.

Alphons .

Zum zweytenmal verdienst du jedes Lob

Und ehrst bescheiden dich und uns zugleich.

Tasso .

O könnt' ich sagen wie ich lebhaft fühle

Daß ich von Euch nur habe was ich bringe!

Der thatenlose Jüngling — nahm er wohl

Die Dichtung aus sich selbst? Die kluge Leitung

Des raschen Krieges — hat er die ersonnen?

Die Kunst der Waffen, die ein jeder Held

An dem beschiednen Tage kräftig zeigt,

Des Feldherrn Klugheit und der Ritter Muth

Und wie sich List und Wachsamkeit bekämpft,

Hast du mir nicht, o kluger tapfrer Fürst,

Das alles eingeflößt als wärest du

Mein Genius, der eine Freude fände

Sein hohes, unerreichbar hohes Wesen

Durch einen Sterblichen zu offenbaren?

Prinzessinn .

Genieße nun des Werks das uns erfreut!

Alphons .

Erfreue dich des Beyfalls jedes Guten.

Leonore .

Des allgemeinen Ruhms erfreue dich.

Tasso .

Mir ist an diesem Augenblick genug.

An euch nur dacht' ich wenn ich sann und schrieb,

Euch zu gefallen war mein höchster Wunsch,

Euch zu ergetzen war mein letzter Zweck.

Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht

Verdient nicht daß die Welt von ihm erfahre.

Hier ist mein Vaterland, hier ist der Kreis

In dem sich meine Seele gern verweilt.

Hier horch' ich auf, hier acht' ich jeden Wink.

Hier spricht Erfahrung, Wissenschaft, Geschmack;

Ja, Welt und Nachwelt seh' ich vor mir stehn.

Die Menge macht den Künstler irr' und scheu:

Nur wer Euch ähnlich ist, versteht und fühlt,

Nur der allein soll richten und belohnen!

Alphons .

Und stellen wir denn Welt und Nachwelt vor,

So ziemt es nicht nur müßig zu empfangen.

Das schöne Zeichen, das den Dichter ehrt,

Das selbst der Held, der seiner stets bedarf,

Ihm ohne Neid um's Haupt gewunden sieht,

Erblick' ich hier auf deines Anherrn Stirne.

Auf die Herme Virgils deutend.

Hat es der Zufall, hat's ein Genius

Geflochten und gebracht? Es zeigt sich hier

Uns nicht umsonst. Virgilen hör' ich sagen:

Was ehret ihr die Todten? Hatten die

Doch ihren Lohn und Freude da sie lebten;

Und wenn ihr uns bewundert und verehrt,

So gebt auch den Lebendigen ihr Theil.

Mein Marmorbild ist schon bekränzt genug,

Der grüne Zweig gehört dem Leben an.

Alphons winkt seiner Schwester; sie nimmt den Kranz von der Büste Virgils und nähert sich Tasso. Er tritt zurück.

Leonore .

Du weigerst dich? Sieh welche Hand den Kranz,

Den schönen unverwelklichen, dir bietet!

Tasso .

O laßt mich zögern, seh' ich doch nicht ein

Wie ich nach dieser Stunde leben soll.

Alphons .

In dem Genuß des herrlichen Besitzes,

Der dich im ersten Augenblick erschreckt.

Prinzessinnindem sie den Kranz in die Höhe hält.

Du gönnest mir die seltne Freude, Tasso,

Dir ohne Wort zu sagen wie ich denke.

Tasso .

Die schöne Last aus deinen theuren Händen

Empfang' ich knieend auf mein schwaches Haupt.

Er kniet nieder, die Prinzessinn setzt ihm den Kranz auf.

Leonoreapplaudirend.

Es lebe der zum erstenmal bekränzte!

Wie zieret den bescheidnen Mann der Kranz!

Tassosteht auf .

Alphons .

Es ist ein Vorbild nur von jener Krone,

Die auf dem Capitol dich zieren soll.

Prinzessinn .

Dort werden lautere Stimmen dich begrüßen,

Mit leiser Lippe lohnt die Freundschaft hier.

Tasso .

O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder,

Nehmt ihn hinweg! Er sengt mir meine Locken!

Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß

Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft

Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze

Bewegt mein Blut. Verzeiht! Es ist zu viel!

Leonore .

Es schützet dieser Zweig vielmehr das Haupt

Des Manns, der in den heißen Regionen

Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne.

Tasso .

Ich bin nicht werth die Kühlung zu empfinden,

Die nur um Heldenstirnen wehen soll.

O hebt ihn auf, ihr Götter, und verklärt

Ihn zwischen Wolken, daß er hoch und höher

Und unerreichbar schwebe! Daß mein Leben

Nach diesem Ziel ein ewig Wandeln sey!

Alphons .

Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Werth

Der holden Güter dieses Lebens schätzen;

Wer früh genießt, entbehrt in seinem Leben

Mit Willen nicht was er einmal besaß;

Und wer besitzt, der, muß gerüstet seyn.

Tasso .

Und wer sich rüsten will, muß eine Kraft

Im Busen fühlen die ihm nie versagt.

Ach! sie versagt mir eben jetzt! Im Glück

Verläßt sie mich, die angeborne Kraft,

Die standhaft mich dem Unglück, stolz dem Unrecht

Begegnen lehrte. Hat die Freude mir,

Hat das Entzücken dieses Augenblicks

Das Mark in meinen Gliedern aufgelös't?

Es sinken meine Kniee! Noch einmal

Siehst du, o Fürstinn, mich gebeugt vor dir!

Erhöre meine Bitte; nimm ihn weg!

Daß wie aus einem schönen Traum erwacht

Ich ein erquicktes neues Leben fühle.

Prinzessinn .

Wenn du bescheiden ruhig das Talent,

Das dir die Götter gaben, tragen kannst,

So lern' auch diese Zweige tragen, die

Das schönste sind was wir dir geben können.

Wem einmal, würdig, sie das Haupt berührt,

Dem schweben sie auf ewig um die Stirne.

Tasso .

So laßt mich denn beschämt von hinnen gehn!

Laßt mich mein Glück im tiefen Hain verbergen,

Wie ich sonst meine Schmerzen dort verbarg.

Dort will ich einsam wandeln, dort erinnert

Kein Auge mich an's unverdiente Glück.

Und zeigt mir ungefähr ein klarer Brunnen

In seinem reinen Spiegel einen Mann,

Der wunderbar bekränzt im Wiederschein

Des Himmels zwischen Bäumen, zwischen Felsen

Nachdenkend ruht: so scheint es mir, ich sehe

Elysium auf dieser Zauberfläche

Gebildet.

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