Немецкий с улыбкой. Учись смеяться не плача / Lerne lachen ohne zu weinen

Курт Тухольский. Учись смеяться не плача / Kurt Tucholsky. Lerne lachen ohne zu weinen

© Нестерова Е. А., адаптация текста, комментарии, словарь

© ООО «Издательство АСТ»

Предисловие

«Смеяться, чтобы не плакать»: Курт Тухольский как загадка немецкой души.

Мы учим языки для того, чтобы понимать людей других наций.

Юмор же – одна из самых глубоких черт культуры: то, что греет и радует, заставляет человека улыбаться, должно затрагивать самое его сердце и душу.

Немцев обычно воспринимают как рационалистов и прагматиков. Фауст, считающийся воплощением национальной души Германии, был хорош, кажется, во всем, кроме смеха. Действительно, даже представить себе смеющегося от души немца (если это не баварец) достаточно сложно.

Отчасти это обусловлено историей Германии в последние два столетия. Немцы – сознательная нация. Они не используют смех как способ отгородиться от собственной истории и собственных ошибок. Немец серьезно относится к тому, что имеет, в том числе и к наследию своего прошлого. Поэтому юмор у авторов XX века если и появляется, то носит максимально общий, философский характер. Авторы стремятся использовать его так, чтобы не задевать других, что сделать весьма не просто, ведь смех всегда – смех над кем-то. Курт Тухольский (1890, Берлин – 1935, Гётеборг, Швеция) же наоборот видит в смехе начало, сближающее людей. Поэтому он хочет «научить» своих читателей – прежде всего, конечно, немцев – смеяться: если люди объединены смехом, они смогут избежать деяний, заставляющих плакать. Так можно расшифровать название книги.

Курт Тухольский будет интересен русскому читателю, как человек, сочетающий в себе немецкую строгость и серьезность с русской душевностью, глубиной понимания другого человека. В его текстах прорываются русские словечки, описывающие явления настолько далекие от немецкого характера, что он не находит им аналога в немецком языке. Сам автор, несмотря на еврейские корни, о которых он никогда не забывал, воспринимает себя как немца, он ничуть не отстраняется от происходящего в стране на его глазах. Напротив, он проживает это как историю равно личную и всемирную. Его проза ностальгична, душевна (совершенно не по-немецки), но при этом фиксирует события настоящего момента с ясной, холодной головой историка.

В Германии Тухольский считается непревзойденным мастером юмора. Русскому читателю придется внимательно вчитываться в зачастую абсурдные, но еще чаще исторически жуткие зарисовки Германии 30-х годов, чтобы нащупать пульс этого юмора: временами обвиняющего, временами очарованно, восхищенно радующегося чему-то или кому-то, но никогда не осуждающего – осуждать можно других, а автор не отделяет себя от того мира, в котором живет.

Der berühmteste Mann der Welt

Kein Parlamentarier ist der berühmteste Mann der Welt und kein Politiker, weder Wilson noch Poincaré – kein Erfinder ist es, kein Tenor, kein Flugzeugführer. Der berühmteste Mensch ist zweifellos Herr Charlie Chaplin, über den alle einmal gelacht haben: die Pariser und die Londoner, alle Amerikaner und die australischen Matrosen, die Besucher der chinesischen Kinos und neuerdings auch die Deutschen, der alte Kontinent und der neue – und dass der Mars noch nicht über ihn gelacht hat, liegt nur an der mangelhaften Verbindung zu diesem kinolosen Möbel.

Mister Chaplin ist so:

Die Gegend betritt ein kleinerer Mann mit einem kleinen schwarzen Hütchen, einem Stöckchen, einem Schnurrbärtchen. Er geht, wie noch nie ein Mensch auf dieser Welt gegangen ist: er watschelt rasch und eilfertig auf zwei Füßen, deren Spitzen ganz nach auswärts gedreht sind. Er hat schwarze, fast traurige Augen, und er sieht bekümmert in die Welt, weil es nun doch gleich einen Kummer geben wird. Richtig, da ist er.

Der Kummer ist ein dicker Mann, ein roher Bursche von ungeheurem Format, mit dem Herr Chaplin sofort aneinandergerät. Weshalb, ist nicht ganz klar. Diese Filme sind überhaupt nicht ganz klar. Aber es kommt ja nicht auf[1] ihre Handlungslosigkeit an und auf das Gewirr von Prügeln, Feuerwehrschläuchen, jungen Mädchen, auslaufenden Milchflaschen und herunterfallenden Gipsbüsten. Es kommt auf ihn an, auf Mister Chaplin.

Aus den acht oder zehn Films, die bis jetzt nach Deutschland gekommen sind, bleibt eine Fülle von Einzelheiten haften, deren jede vollendet gespielt ist.

Mister Chaplin lädt dreizehn Stühle auf seinen Rücken, sieht aus wie ein Morgensternsches Stuhlschwein und starrt vor lauter Stuhlbeinstacheln: Mister Chaplin ist aus dem Gefängnis entflohen, wo die amerikanischen Sträflinge bekanntlich gestreifte Kleidung zu tragen haben, und erwacht morgens im Bett: verwundert und deprimiert gleiten seine schwarzen, klugen Augen über den gestreiften Pyjama und über die Gitterstäbe seines Bettes – also doch? Wieder Gefängnis? – Nein, der Diener bringt den Kaffee. Und wie Herr Chaplin dann sofort aus dem geduckten Flüchtling ein feiner Herr wird, mit einer Zuckung der Schulter, einem ganz unmerklichen Zusammenreißen in den Augen: das ist schlechthin meisterhaft. Herr Chaplin muss hungrig zusehen, wie ein dicker Mann von vierundzwanzig Tellern sein Frühstück isst; dann soll er die leeren Teller abräumen. Ein Blick, zwei Löffel, und Herr Chaplin beginnt mit sieghafter Geste auf den Tellern Xylophon zu spielen.

All diese Einfälle dauern nur einen Augenblick, das geht alles ganz rasch vorüber, wird mit den sparsamsten Mitteln exekutiert. Er hat sich hinter einem umgestürzten Küchentisch verbarrikadiert und bewirft seine Partner mit gebratenen Kartoffelklößen: blitzschnell taucht die Assoziation „Schützengraben“ in ihm auf: er ergreift zwei leere Weinflaschen, steckt den Kopf über den Tisch und beäugt unendlich strategisch den Feind durch dieses neue Scherenfernrohr – und blitzschnell taucht er wieder unter.

Er hat eine Komik des Nichttuns entwickelt, die ganz ungeheuerlich ist. Der Mann, der sich nicht traut, durch eine Tür zu gehen, dreimal ansetzt und viermal umkehrt, ist noch niemals so gespielt worden wie von ihm. Er sitzt in der Heilsarmee und muss über irgend etwas lachen, das neben ihm vorgeht – der strafende Blick des Predigers fällt auf ihn – Großaufnahme: man sieht ihn fröhlich grinsen, und dann ist das Lachen wie mit einer Zange abgekniffen[2]. Unruhig ruckelt ein gerüffelter Schuljunge auf seinem Platz, und ganze Völkerschaften liegen unter dem Tisch.

Womit er das alles erreicht, ist völlig unbegreiflich. Manchmal nur mit einer kleinen Bewegung – er kann mit den Schultern weinen. Einmal wird einer massiert – Chaplin sieht den riesigen Bademeister und sein beklatschtes und malträtiertes Opfer. Er wird der Nächste sein… Und in den unergründlichen Augen liegt eine solche Angst, eine solche tiefe und fast tierische Furcht und dazu eine Gran Ironie, dass es so etwas gibt… Und er bewegt sich nicht, und man hört ihn jeden Gedanken denken.

Er ist so gütig und so freundlich zu aller Welt! Neben ihm steht ein kleiner Spielhund aus Tuch, ein Spielzeug, wie es die Kinder haben. Eine Flasche läuft aus und bekleckert ihm die Hosen. Ingrimmig und chokiert sieht er den Hund an. Dann stellt es sich heraus, dass es doch die Flasche war. Und leise streichelnd, mit einer unendlich zarten Bewegung bittet er das Hündchen um Verzeihung…

Der Mensch muss eine unerhörte Beobachtungsgabe haben, ein stehlendes Auge. Er kann die Bewegungen aller Handwerke nachmachen. Einmal frisiert er den Kopf eines Bärenbettvorlegers: mit welch femininer Grazie und mit welch gelangweilter Selbstverständlichkeit er Kamm und Bürste handhabt und nach dem Schamponieren leicht und elegant und oberflächlich den nassen Kopf abtrocknet! Das zeigt die natürliche Komik dieses großen Künstlers. Wenn unsere Mimen auf der Bühne einen Handwerker nachmachen, dann sieht man, dass sie ihn niemals beobachtet haben: so klopft kein Schuster, so schreibt kein Schreiber, so bewegt sich kein Kutscher. Chaplin kennt sie alle.

Er bekommt es fertig[3], nur durch seine Erscheinung andere Leute lächerlich zu machen. Er braucht nur aufzutreten, mit dem kleinen Hütchen, mit dem kleinen Stöckchen, mit dem kleinen Schnurrbärtchen, watscheln auf seinen unmöglichen Beinen – und alles drum herum[4] hat plötzlich unrecht, und er hat recht, und die ganze Welt ist lächerlich geworden. Es gibt ein Bild von ihm aus dem Kriege, auf dem der Zeichner den deutschen Kaiser abgebildet hat und seine Generäle – mit starrenden Schnurrbärten und furchteinflößenden Helmen. Ihre Augen kullern ihnen fast aus dem Kopf, sie sehen alle auf eine Sache. Denn vor ihnen latscht[5] Chaplin durch den Saal, sich leise einen pfeifend und unbeschreiblich frech sein Stöckchen schwingend. Und der ganze Militarismus ist hinten heruntergefallen.

„All der Unsinn, den Mister Chaplin macht, kommt aus den misslingenden Versuchen, so zu sein, wie andere Leute auch.“ Er hat einmal gesehen, wie der Mixer mixt und wie er in dem Affentanz von Eisstückchen, Cherrycoblern[6], Silberbechern und Herumhantieren an jedem Ei kurz riecht, bevor er es in den Topf schlägt… Aha, das macht man so. Und wenn er, Chaplin, mixt, riecht er auch an dem Ei. Aber bevor er es aufschlägt. Das kommt in der Fixigkeit nicht so genau darauf an…[7]

Man sagt, dass er alle seine Filme probeweise Kindern vorspiele. Wenn das nicht wahr ist, ist es brillant erfunden. Denn diese Filme mit der nachdenklichen Komik, mit der lustigen Tragik wenden sich an das Kind im Menschen, an das, was wohl bei allen Völkern gleich geblieben ist: an die unverwüstliche Jugendkraft. Er stellt das primitivste dar, aber das genial. Und er zeigt, wie lächerlich es ist, ein erwachsener Mensch zu sein, der sich ernst nimmt.

Als er einmal von Europa zurück nach Los Angeles fuhr, begrüßten ihn auf einer kleinen amerikanischen Station zweihundert kleine Jungen, alle als Mister Chaplin verkleidet: mit dem kleinen Hütchen, mit dem kleinen Bärtchen und mit dem kleinen Stöckchen. So watschelten sie auf ihn zu… Und weil er sehr kinderlieb ist, hat er ihnen allen Guten Tag gesagt.

Er ist, wie alle großen Komiker, ein Philosoph. Versäumen Sie nicht, ihn sich anzusehen. Sie lachen sich kaputt[8] und werden ihm für dieses Lachen dankbar sein, solange Sie leben.

Da geht er hin und ruckt nach all dem Kummer an einem kleinen Hut und watschelt ab und sagt mit den Beinen: „Auf Wiedersehn —!“

Übungen zur Erzählung

I. Übersätzen Sie ins Deutsch:

1. Самый известный человек в мире – не изобретатель, не политик и не философ. Это актер.

2. Все, что делает мой друг, выглядит как полная чепуха и путаница. Еще немного, и он сдастся.

3. С недавних пор маленькая Тина стала все копировать за взрослыми.

4. Смех помогает победить самый чудовищный страх.

5. Этот новый парень молниеносно учится всем ремеслам.

II. Ergänzen Sie mit einem Partizip I:

1. singen: Er ging zu Hause, leise _________ vor Freude.

2. schweigen: ______________ verlaß sie das Zimmer.

3. pfeifen: Der Teekessel benachrichtigte uns _________, dass das Wasser aufgekocht ist.

4.winken: Die Verkehrsampel leuchtete ____________, als wir fuhren vorbei.

5. lachen: ________ Menschen sehen junger aus.

III. Welches Wort fehlt?

1. ___________ sie hat noch niemand niemals gelacht. Sie ist so ________ (скучная).

2. Jetzt komme ich an die Reihe. Du bist die ____________.

3. So singt _________ Singer! Er ist total einzigartig.

4. Ich muss ______ jemandem wenden. Ich weiß nicht mehr, wo wir uns befinden.

5. Sei nicht _______! Sag deinen Freunden ”Auf Wiedersehen”.

Schlüssel zur Übungen:

I.

1. Der berühmteste Mensch der Welt ist kein Erfinder, kein Politiker und kein Philosoph. Er ist Schauspieler.

2. Alles, was mein Freund macht, sieht wie voller Unsinn und Gewirr aus. Es dauert nicht lange und er wird ducken.

3. Neuerdings macht die kleine Tina alles der Erwachsenen nach.

4. Lachen hilft die ungeheuerste Angst zu besiegen.

5. Dieser neue Bursche lernt blitzschnell alle Handwerke.

II.

1. singend

2. schweigend

3. pfeifend

4. winkend

5. lachende

III.

1. Über; fade

2. Nächste

3. kein

3. kein

4. an

5. roh

Der liebe Gott in Frankreich

Wie verschieden ist es doch so im menschlichen Leben —!

Bringt in Deutschland jemand die Gedankenvorstellungen der Kirche mit dem Humor in nähern Zusammenhang[9], dann finden sich nicht nur etliche Domdechanten, sondern noch mehr Richter, die aus einem politischen Diktaturparagraphen – dem §166 – herausinterpretieren, was man nur wünscht. In Frankreich gibt es doch immerhin dieselbe katholische Kirche (über den Erdkreis hinweg), aber da sieht es nun so aus:

In den „Deux Anes[10]“ steigt eine der kleinen Revuen, über die wir uns schon manchmal unterhalten haben. Siebentes Bild: „Restaurant zum bekränzten Bürzel.“ Und weil ja in den feinen Hotels die Speisen feierlich dargebracht werden, dort also nicht gegessen, sondern das Essen zelebriert wird, so sehen wir nunmehr ein ganzes Diner auf eine recht absonderliche Weise serviert.

Vor dem Altar der Office steht der Maître d’Hotel, er macht viele kleine Verbeugungen und ruft mit modulierender Stimme die Speisen aus. „Le Potage de la Vierge Printanière[11]“ – und Frauenstimmen aus der Küche respondieren: „… printanière —!“ die Gäste nehmen keine Abendmahlzeit ein, sondern ein Abendmahl, der zweite Kellner schwenkt den Salatkorb wie eine Räucherpfanne, die Musik spielt Gounod-Bach, und es ist – wie die Prospekte der Beerdigungsinstitute sagen – eine Mahlzeit erster Klasse. Der Ober nennt die Gäste „Nos fidèles[12]“, was gleichzeitig treu und gläubig heißt, alles geht sehr schnell, und wenn es vorbei ist, dann singt der Chor der Kellner:

„Avé – avé – avez-vous bien diné?[13]“

Alles lacht und klatscht. In den Zeitungen kein böses Wort. Im Publikum kein fader Jude, dem plötzlich das böse Gewissen[14] schlägt und der pogromängstlich „geschmakkkkklos“ murmelt, denn es geht nichts über den Katholizismus gebildet aufgeklärter Juden; kein frommer Abgeordneter, der nun aber neue Gesetze gegen Schmutz und Schund fordert… nichts.

Eine andre Rasse, gewiss. Damit ist noch nicht bewiesen, dass es in lateinischen Ländern mit dem Humor anders sei als bei uns, gewiss.

Aber glaubt doch ja nicht, dass es, alle Leichtigkeit des französischen Humors zugegeben, hier immer so gewesen ist. Die Kirche hat das Land einmal beherrscht. Und mit dem Patriotismus könnte man sich die gleiche Szene kaum ausdenken – da gäbe es Krach. Mit der Kirche aber…

Die hat eben – trotz allem – in Frankreich zum mindesten nicht die Macht, das öffentliche Leben so zu knebeln, wie sie das lautlos in Deutschland tut, wo alles kuscht, wenn sie bimmelt, und wo kein Mensch auf unsre Empfindungen Rücksicht nimmt[15], auf uns, deren Gefühle verletzt werden, wenn ein Pfaffe von der Kanzel herunter zum Mord hetzt. „Avez-vous bien diné?“ Wenn man die deutsche Zentrumsherrschaft mitansieht, kann man nur sagen: Mahlzeit!

Koffer auspacken

In der Fremde den Koffer auspacken, der etwas später gekommen ist, weil er sich unterwegs mit andern Koffern noch unterhalten musste: das ist recht eigentümlich.

Du hast dich schon ein bisschen eingelebt, der Türgriff wird leise Freund in deiner Hand, unten das Café fängt schon an, dein Café zu sein, schon sind kleine Gewohnheiten entstanden… da kommt der Koffer. Du schließt auf —

Eine Woge von Heimat fährt dir entgegen.

Zeitungspapier raschelt, und auf einmal ist alles wieder da, dem du entrinnen wolltest. Man kann nicht entrinnen. Ein Stiefel guckt hervor, Taschentücher, sie bringen alles mit, fast peinlich vertraut sind sie dir, schämst du dich ihrer? Wie zu nahe Verwandte, denen du in einer fremden Gesellschaft begegnest; alle siezen dich, sie aber sagen dir: Du —! und drohen am Ende noch, sprichst du mit einer Frau, schelmisch mit dem Finger. Das mag man nicht.

Wer hat den Koffer gepackt? Sie? Eine warme Welle steigt dir zum Herzen empor. So viel Liebe, so viel Sorge, so viel Mühe und Arbeit! Hast du ihr das gedankt? Wenn sie jetzt da wäre… Sie ist aber nicht da. Und wenn sie da sein wird, wirst du es ihr nicht danken.

Die Sachen im Koffer sprechen nicht die Sprache des Landes, nicht die Sprache der Stadt, in der du dich befindest. Ihre stumme Ordnung, ihre sachliche Sauberkeit im engen Raum sind noch von da drüben. Da liegen sie und sprechen schweigend. Mit etwas abwesenden Augen stehst du im Hotelzimmer und erinnerst dich nicht… nein, du bist gar nicht da – du bist da, wo sie herkommen, atmest die alte Luft und hörst die alten, vertrauten Geräusche… Zwei Leben lebst du in diesem Augenblick: eines körperlich, hier, das ist unwahrhaftig; ein andres seelisch, das ist ganz wahr.

Ein Mann, der sich lyrisch Hosen in den Schrank hängt! Schämen solltest du dich was! Tut’s ein Junggeselle, dann geht es noch an[16]; mit sachlich geübten Händen baut er auf und packt fort, glättet hier und bürstet da… Ein Verheirateter, das ist immer ein bißchen lächerlich; wie ein plötzlich selbständiges Wickelkind ist er, ohne Muttern, etwas allein gelassen in der weiten Welt.

Der Bademantel erinnert nicht nur; in seinen Falten liegen Stücke jener andern Welt, aus der du kamst. Das ist schon so. Aber faltest du ihn auseinander, dann fallen die Stücke heraus, verflüchtigen sich, auf einmal hängt er vertraut und doch fremd da, ein gleichgültiger Bademantel, den das Ganze nicht so sehr viel angeht… Und da ist etwas praktisch zusammengerollt, hier ist ein besonderer Trick des Packens zu sehn, hast du die Krawatten gestreichelt, alter Junge? Als ob du noch nie gereist wärst!

Leicht irr stehst du im Zimmer, in der einen Hand einen Leisten, in der andern zwei Paar Socken, und stierst vor dich hin. Gut, dass dich keiner sieht. Um dich ist Bäumerauschen, ein Klang, Schmettern dreier Kanarienvögel und eine Intensität des fremden Lebens, die du dort niemals gefühlt hast. Tropfen quillen aus einem Schwamm, den du nie, nie richtig ausgepresst hast. So saftig war er? Hast du das nicht gewusst? Zu selbstverständlich war es, du warst undankbar – das weißt du jetzt, wo es zu spät ist.

Eine Parfümflasche ist zerbrochen, das gute Laken hat einen grünlichen Fleck, ein Geruch steigt auf, und jetzt erinnert sich die Nase. Die hat das beste Gedächtnis von allen! Sie bewahrt Tage auf und ganze Lebenszeiten; Personen, Strandbilder, Lieder, Verse, an die du nie mehr gedacht hast, sind auf einmal da, sind ganz lebendig, guten Tag! Guten Tag, sagst du überrascht, ziehst den alten Geruch noch einmal ein, aber nach dem ersten Aufblitzen der Erinnerung kommt dann nicht mehr viel, denn was nicht gleich wieder da ist, kommt nie mehr. Schade um das Parfüm, übrigens. Die Flasche hat unten ein häßlich gezacktes Loch, es sieht fast so aus, wie etwas, daraus das Leben entwichen ist… Also das ist dummer Aberglaube, es ist ganz einfach eine zerbrochene Flasche.

Unten, auf dem Boden des Koffers, liegen noch ein paar Krümel, Reisekrümel, Meteorstaub fremder Länder. Jetzt ist der Koffer leer.

Und da liegen deine Siebensachen auf den Stühlen und auf dem Bett, und nun räumst du sie endgültig ein. Jetzt ist das Zimmer satt und voll, fast schon ein kleines Zuhause, und alle Erinnerungen sind zerweht, verteilt und dahin[17]. Noch ein kleines – und du wirst dich auf deiner nächsten Station zurücksehnen: nach diesem Zimmer, nach diesem dummen Hotelzimmer.

Übungen zur Erzählung

I. Übersätzen Sie ins Deutsch:

1. Положи в чемодан галстуки, носки и носовые платки.

2. На простыне пятно, ее придется стирать.

3. В комнате пахло духами.

4. Он часто вспоминает далекие страны, которые он посетил.

5. Знакомые звуки и запахи напоминают о детстве.

II. Adverb oder Adjektiv? Übersätzen Sie ins Russische:

1. Sorgsam prüfte er die Ergebnisse seiner Forschung nach.

2. Geübte Bewegungen der Tänzerin wirkten bezaubernd auf mich.

3. Diese Arbeit ist oberflächlich. Ich kann sie nicht annehmen.

4. Die Wände waren vor kurzem saftig angestrichen.

5. Er regt sich darüber maßlos auf.

III. Welches Wort fehlt?

1. Er ist ein Linkshänder und schreibt deswegen auf eine recht absonderliche ____________.

2.Um Geschichte zu verstehen, muss man lernen, Fakten in ___________________ zu bringen.

3. Das ________ Gewissen ist die Erinnerung, die dir nie in Ruhe lassen wird.

4. ________________ wird zur zweiten Natur!

5. Es geht mich nicht _____, was du denkst.

Schlüssel zur Übungen:

I.

1. Packe die Krawatten, Socken und Taschentücher in den Koffer.

2. Es gibt einen Fleck aufs Laken, man muss es waschen.

3. Es roch nach Parfüm im Zimmer.

4. Er erinnert oft ferne Länder, die er besucht hat.

5. Vertraute Geräusche und Gerüche erinnern an Kindheit.

II.

1. Adverb. Он тщательно перепроверял результаты своего исследования.

2. Adjektiv. Умелые движения танцовщицы действовали на меня завораживающе.

3. Adjektiv. Эта работа поверхностная. Я не могу ее принять.

4. Adverb. Стены недавно ярко покрасили.

5. Adverb. Он чрезвычайно переживает из-за этого.

III.

1. Weise

2. Zusammenhang

3. böse

4. Gewohnheit

5. an

Der Hellseher

Erschienen im April 1930

– „Sie… sind Hellseher?“

– „Ich bin von Haus aus[18] eigentlich Schwarzseher – nun verbinde ich diese beiden Berufe…“

– „Erfolge?“

– „Im Mai des Jahres 1914 notierte ich im Büchelchen: ‚Was wäre, wenn…‘ und wollte dartun, was sich begäbe, wenn es zu einem Kriege käme. Begeisterung Unter den Linden, allgemeiner Umfall…“

– „Wo haben Sie diese Arbeit veröffentlicht[19]?“

– „Ich war zu faul, sie niederzuschreiben.“

– „Das kann jeder sagen. Wussten Sie denn, dass es einen Krieg geben würde?“

– „So wenig wie ich sechs Tage vor Rathenaus Tod wusste, dass er gekillt werden würde. Trotzdem stieß ich am 22. Juni 1922 einen Kassandra[20]-Ruf aus: Was wäre, wenn…“

– „Und – wie sehen Sie heute? Hell? Schwarz? Hell? Bitte setzen Sie sich. Aber legen Sie nicht die Hand auf die Augen… mit mir müssen Sie das nicht machen. Sagen Sie nur, was Sie wissen. Putsch?“

– „Putsch trocken. Ich sehe kein Blut. Ich sehe die aufgeregte Insel Deutschland. Fascismus Lagerbräu.“

– „Erklären Sie sich näher.“

– „Wozu ein Putsch? Die Herren haben ja beinahe alles, was sie brauchen: Verwaltung, Richter, Militär, Schule, Universität – wozu ein Putsch? Immerhin… es ist Frühling… in Deutschland geschieht nie etwas, aber in den Köpfen steht: es muss etwas geschehn. Es kann schon etwas geschehn. Was wäre, wenn…“

– „Nehmen Sie etwas Kaffee. Es ist gar kein Kaffee, aber nehmen Sie nur etwas Kaffee, also: der deutsche Fascismus. Was wäre, wenn…?“

– „Der Stahlhelm, sorgsam gepflegt unter dem freundlichen Patronat einer Regierung, in der die Sozialisten stets auf die Koalition hinwiesen und in der die Rechten so taten, als wären sie ganz allein… der Stahlhelm wird aufmarschieren. Geld hat er. Gedrillt ist er. Passieren kann ihm nichts.“

– „Warum nicht —?“

– „Weil er die Verwaltung wachsen hört. Weil er alles, was jemals eine Behörde gegen ihn unternimmt, wenn es eine wagte, etwas zu unternehmen, achtundvierzig Stunden vorher weiß.“

– „Durch wen?“

– „Durch seine Leute, die die Verwaltung durchsetzen wie der Schimmel den Käse.“

– „Die Regierung?“

– „Die Regierung weiß es, will nichts wissen, ahnt es, möchte nichts ahnen… der Stahlhelm weiß.“

– „Die Hitlerleute?“

– „Halb so schlimm[21]. Furchtbar viel Geschrei; Brutalitäten; Freude an organisiertem Radau; Freude an der Uniform, den Lastwagen und dem Straßenaufmarsch… halb so schlimm. Vorspann – sobald sie den ersten Ruck gegeben haben, wird man sie bremsen, die armen Kerle. Es wird da große Enttäuschungen geben.“

– „Und was wird geschehen?“

– „Äußerlich nicht so sehr viel. Kleine lokale Widerstände der Arbeiter; die sind aber gespalten, desorganisiert, waffenlos, niedergebügelt von einer jahrelangen Vorbereitungsarbeit der Justiz. Die Besten sind nicht mehr. Die Zweitbesten hocken in den Zellen. Der Rest steht auf – und legt sich gleich wieder hin. Müde. Enttäuscht. Ausgehungert. Stempeln, stempeln, stempeln.“

– „Ausrufung der Diktatur? Absetzung des Reichspräsidenten?“

– „Wo denken Sie hin! Mussolini hat seinen kleinen König; die hier haben ihren breiten Hindenburg. Der bleibt. Der Reichstag wird so gut wie nach Hause geschickt… niemand wird ihn vermissen. Denn was die da in den letzten Jahren getrieben haben: so etwas von Leerlauf, von Selbstzweck, von Insicharbeit… so etwas war noch nicht da. Eine Karikatur des Parlamentarismus. Der ist fertig. Ein Direktorium, ein Ausschuss, irgend etwas mit harmlos-hochtönendem Namen, das wird regieren.“

– „Und wie?“

– „Immer verfassungstreu, oho! Druck mit staatsfeindlichen[22] Mitteln auf den Staat – und dann verfassungstreu. Wie sie regieren werden? Viel harmloser, als die maßlos enttäuschten, aber bald gebändigten Kleinbürger glauben. Deren radikale Flügel werden rasch unterdrückt; auch Herr Hitler hat seine Schuldigkeit getan und kann gehn. Es wird keine Revolution sein, so wenig wie die von 1918 eine gewesen ist – Personalböen werden sie machen…“

– „Bitte, klarer. Was sind Personalböen?“

– „Stürme in den Wassergläsern der Ressorts. Absägung der unbequemen Regierungssozialisten; Pensionierung von ein paar hundert Konzessionsschulzen, die sich schlecht und recht[23] durchgebuttert hatten, bis zu diesem Augenblick – und die kindlich erstaunt waren, als es nun so weit war. Die Brüder hatten nie etwas andres gesehen als ‚Realitäten‘ – also gar nichts. Von der wahren Kräfteverteilung im Lande fühlten sie nichts; hier mussten ihre Informationen versagen, denn statistisch läßt sich dergleichen nicht erfassen. Die werden verschwinden. Nun wird Deutschland stramm natio-nalliberal.“

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